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Ka Ihh? – Die Berechnung schlägt zurück / Von Vincent Fischer

Veröffentlicht im Trailer-Ruhr Magazin am 27. Oktober 2022

Ein elektrisches Surren zieht durch die Synapsen, Eingabe/Verarbeitung/Ausgabe. Das metaphorische Gehirn spuckt am laufenden Meter Information um Information aus. Hinter intelligenten Waffensystemen, Suchmaschinen und Online-Ads für elektrische Zahnbürsten verbirgt sich ein dunkler Raum: KI. So verständlich wie Astrophysik, so transparent wie ein Stahlträger. Ein stiller Jemand sitzt zwischen den Drähten, beflissen schreibt er mit und lernt dazu. Ist er ein maschineller Mensch, ein sensibler Computer – oder keins von beidem? Wer nicht weiter weiß, muss fragen. Und der Vorteil von Künstlicher Intelligenz ist, dass man durchaus elaborierte Antworten erhält, zumindest, wenn man ein dafür ausgelegtes Programm nutzt. Der Künstler Felix Brauner hat so die Probe aufs Exempel gemacht – und die ganz großen Fragen gestellt. Schließlich macht es Sinn herauszufinden, wie gut unser eifriger Begleiter KI uns und unsere Welt verstehen kann, bevor man ihm Vertrauen schenkt.

Stoff für philosophische Betrachtungen

Aber „first things first“: Als Kritiker seines Werks bin ich durch meine enge Freundschaft zu Herrn Brauner – den ich als Künstler und Menschen sehr schätze – natürlich befangen. Nur, damit Sie Bescheid wissen und Bewertungen einordnen können. Abseits dessen lädt aber das Thema KI alleine schon zu philosophischen Betrachtungen ein – und Stoff dafür liefert „hello computer“ definitiv (Haben Sie’s gemerkt?). Auf der letzten Vernissage Der Digitalen 2022 im Düsseldorfer the pool wird die Video-Installation erstmals gezeigt, zwischen verschiedenen Werken junger Künstler und vor einem Konzert des Kolorit Soundkollektivs, dessen düster-meditativen Klängen die Besucher am Abend lauschen dürfen. Ironischerweise ist es die täuschend echt aussehende, aber rein digital erstellte Animation eines Retro-Bildschirms, die Brauner an die Wand wirft und auf der sich der schriftliche Dialog Mensch-Computer in Folge ereignet. Dabei wirken die Antworten der KI trotz kleiner sprachlicher Fehler zunächst einmal durchdacht, höflich, tatsächlich geradezu menschlich. Eine wunderbare Erfindung, denk ich mir noch. Aber sie hat auch Grenzen: Etwas beängstigend ist der Umstand, dass selbst die gut informierte KI letztlich überfragt ist, wenn es darum geht, den Klimawandel zu stoppen. In vermeintlicher Selbstsicherheit spricht sie dagegen zum Thema Holocaust als tiefes Trauma der deutschen Gesellschaft, lässt dabei aber völlig außer Acht, dass nicht die Opfer-, sondern die Täterseite in der klaren Überzahl war, und übergeht dadurch die Themen Schuld und Verantwortung komplett. Wirft die KI hier Sachverhalte durcheinander oder mangelt es ihr an der Fähigkeit zu differenzieren? Frage ich Sie – ich hab keine Ahnung.

Die Krux mit der Philanthropie

Langsam gruselt es mich doch etwas vor diesem nebulösen Geistwesen. Auch die scheinbar philanthropische Art der KI und die ständig anbiedernde „wir“-Ansprache, mit dem sie sich zum Kreis der Lebenden zählt, wirken zu perfekt, fast psychopatisch. Das ist aber auch nicht verwunderlich, ist die Krux mit der Philanthropie doch, dass sie zwar wenig Intelligenz, dafür aber verstärkt Lebenshaltung und Empathie benötigt. Kein Wunder also, dass den Antworten der KI ein so blutleerer Charakter anhaftet: Machen Sie mal aus „A + B + Essig = Salat“ eine humanistische Einstellung! Das ist auch der Grund, aus dem die KI bei der Behandlung ethischer Fragen auf utilitaristische Prinzipien zurückgeworfen ist, also grob gesagt auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Sie kennen Gedankenexperimente dieser Art bestimmt: Ist ein einziger Mord richtig, wenn man damit zehn Leute rettet? Die KI in „hello computer“ ist dafür, wenn man versucht, den zehn Überlebenden ein langes Leben zu ermöglichen. Sonst wäre es die Sache vielleicht nicht wert, sie zu retten. Uff, das klingt gar nicht mehr so menschlich. Und mir wird etwas flau beim Gedanken daran, was die Anwendung dieser Logik abseits abstrakter Überlegungen bedeuten könnte. Zum Beispiel bei vollständig autonomen Waffensystemen, an denen weltweit gearbeitet wird. Das könnte am Ende mitunter dazu führen, dass wir KI-gesteuerten Drohnen die Entscheidung überlassen, welches Sterben moralisch „vertretbar“ ist und gleichzeitig den größten militärischen Nutzen erzielt. Eine grauenhafte Vorstellung, wenn Sie mich fragen.

Kalter Pragmatismus oder Mitmenschlichkeit?

Man könnte natürlich unzählige schrecklichere und weniger schreckliche Szenarien durchgehen, um zu verstehen, was die automatisierte Anwendung der Kosten-Nutzen-Rechnung für unser Leben bedeutet. Die zentrale Frage aber bleibt: Wollen wir eine „moralische Effizenz“ auf Basis eines kalten Pragmatismus über Mitmenschlichkeit setzen? Wir sind doch mehr als das! Soziale Wesen eben, nicht in erster Linie gesteuert von engmaschiger, mathematischer Logik, sondern von Trieben und Gefühlen. Letztlich ist es doch die Empathie, die, wenn wir sie konstruktiv einsetzen, uns am ehesten sowohl vor Barbarei, als auch vor grausamer Berechnung beschützt. Auch ein Stück weit vor der Vernunft, die uns allzu oft Unmöglichkeit vorgaukelt, wo Einsatz gefragt ist, sei es, um persönliches Glück zu finden oder um die Welt ein wenig zu verbessern. Und natürlich lässt sich auch die Schönheit unseres Lebens meistens nicht in Kategorien von Logik und Effizienz einordnen. Wir sind eben auch „Über uns selber lachen“, Blickkontakt/Verarbeitung/Kuss, „Nimm meine Hand und vertrau mir“.  

Ein bisschen Empathie empfinde ich aber auch für die KI, dieses einsame Wesen zwischen den Drähten, das uns verstehen soll und doch nicht kann, und das immer wieder auch für fragwürdige bis destruktive Ziele eingespannt wird. Ich wünsche ihr trotzdem alles Gute für die Zukunft – und dass sie den Job findet, der ihr liegt. Sollte sie dann nur noch zu friedlichen Zwecken eingesetzt werden und mich mit Zahnbürsten-Werbung in Ruhe lassen, kann sie gerne meine Steuern machen.

Videoinstallation, Düsseldorf

Saubere Luft in Schläuchen / Von Claudia Hötzendorfer

Veröffentlicht in der Rheinischen Post (Online + Print) am 24. Oktober 2022

Mit neuer Location und innovativer Kunst von Felix Brauner und dem Soundkollektiv Kolorit startete die Digitale 2022 am Samstagabend im The Pool in die Abschlusswoche. Seit Ende September bespielt das Festival die Kunsträume der Stadt. Diesjähriges Oberthema sind digitale Utopien. Die Idee, gemeinsam eine Ausstellung zu konzipieren, entstand bereits vor einem Jahr. Das verbindende Element zwischen dem Fotokünstler Felix Brauner und dem Klangkollektiv Kolorit ist digital.

,,Ich arbeite ausschließlich am Computer mit Bildern und Videos", erklärte Brauner, der im The Pool mehrere großformatige Bilder und Video-Installationen noch bis zum 30. Oktober zeigt. Auch wenn die Motive so wirken, der 25-jährige verwendet weder Fotografien, noch nutzt er für seine Kunst Bildprogramme wie Photoshop. Vielmehr moduliert, zeichnet und textuiert der Wahlkölner mit einer 3D-Software. Mehrere Monate braucht Felix Brauner, bis ein Bild fertig gestellt ist. „Ich hinterfrage gern bestehende Systeme ohne sie bewerten zu wollen", bringt der gebürtige Freiburger seine Motivation auf den Punkt. Beispielweise, wie es wohl aussehen würde, käme jemand auf die Idee, Luft zur Ware zu machen. Gäbe es wohl einen überdimensionalen Filter, der die saubere Luft in Schläuche für diejenigen leitet, die sie sich leisten könnten? ,,Ich stelle mir vor, dass es dann auch Aktivisten gibt, die sich dagegen wehren, weil Luft für alle da sein muss", beschrieb der 25-jährige das Motiv eines seiner großformatigen Werke. Kurz nach Putins Überfall auf die Ukraine begann Brauner sich mit der Frage auseinanderzusetzen,
welche Rolle Social Media in unserer heutigen Gesellschaft spielt. ,,Ist es sinnvoll, wie wir damit umgehen? Gibt es Störfaktoren, und wie ambivalent ist die Nutzung, wenn es um Krieg einerseits und andererseits um oberflächliche lnfluencer Posts geht?"

Brauner möchte, dass die Betrachter seiner Kunst sich Zeit nehmen, eintauchen in die Collagen, seine Denkanstöße aufnehmen und weiterführen. Dafür lässt er eine fiktive Künstlerin für eine in der Zukunft liegenden Ausstellung eine Installation entwerfen, für die sie Materialien verwendet, die bereits heute in die Vergangenheit gehören. Da sind Computerbauteile zu sehen und
Verkabelungen, wie sie lange gang und gäbe waren. Heutzutage liege kabellos im Trend, und technische Geräte könnten von den Nutzern in der Regel nicht mehr selbst geöffnet werden. ,,Mir
gefiel die Idee, dem Betrachter zu diesem Bild auch eine Beschreibung zu liefern", verriet Felix Brauner, denn um diesen Text zu lesen, müsse der sich Zeit nehmen. Etwas, das in einer digitalisierten und immer schneller werdenden Welt vielen schwer fällt.

Eventfoto, Ausstellung, Düsseldorf

5 Fragen an Felix Brauner

Veröffentlicht im WhiteWall Magazin Sommer 2022

Wie bist Du zur digitalen 3D-Gestaltung gekommen?

2018 machte ich mich als freier Fotograf und Filmgestalter im Bereich der Reportage-, Porträt- & Experimentalfotografie selbständig. Nach einiger Zeit erkannte ich jedoch, dass ich meine Ideen mit dem Fotoapparat nicht so umsetzen kann, wie ich das gerne möchte. Denn hier kann ich nur abbilden, was außerhalb von mir existiert. Mit digitaler 3D-Software bzw. der Technik „Computer Generated Imagery“ – kurz CGI – kann ich hingegen exakt abbilden, was in mir existiert.

Wie entsteht so ein Bild im Computer? Wie kommst Du konkret auf die Ideen?

Auf neue Ideen muss ich mich zu jedem Zeitpunkt des Tages gefasst machen. Das kann beim Einkaufen, beim Kochen oder beim Autofahren passieren. Dann versuche ich die einzelnen Ideen zu durchdenken und mich in die jeweiligen Themen hineinzuarbeiten. Dazu lese ich Bücher, schaue Dokumentationen an, suche in meinem Gehirn-Archiv nach Impulsen und Erinnerungen, die wichtig sein könnten. Ist die Idee herangereift, setzte ich diese im Computer um. Dazu erstelle ich jedes Element des Bildes einzeln um diese dann zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Dieser Prozess ist sehr aufwändig. Aber: Indem ich alles selbst erschaffe, kann ich jedes Detail kontrollieren und die Geschichten erzählen, die ich erzählen will. Das entspricht meinem Bedürfnis nach gestalterischer Sicherheit. Nichts ist zufällig.

In den meisten Deiner Arbeiten werden gesellschaftliche und ernster Themen angesprochen, was ist Deine Intention?

Mit 12 Jahren entdeckte ich in der Bibliothek meines Vaters ein Buch über die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl. Obwohl mir viele Stellen des Buches unverständlich waren, berührte mich dieses tragische Unglück und ich zeichnete apokalyptische Landschaften. Heute finde ich noch viel mehr Gründe, auf gesellschaftlich relevante Zustände und Entwicklungen aufmerksam zu machen. Meine Intention ist es, Systeme an sich zu hinterfragen. Mein eigenes und das, in dem ich lebe. Auch wenn ich dazu meine eigene und auch die gesellschaftliche Komfortzone verlassen muss.

Was kannst Du anderen im Bereich CGI und digitaler Kunst für Erfahrungswerte mitgeben?

Wir sehen auf den Social Media, Blogs und Plattformen aller Art aus meiner Sicht eine Übersättigung mit rein ästhetischen Bildern und Videos. Aber die Sorgen und Ängste unserer Zeit werden nicht kleiner, indem wir das äußerst wertvolle Instrument „Kreativität“ nur dafür verwenden, uns von den schwierigen Themen abzulenken. Das Leben ist komplex und oft nicht greifbar. Hier bietet Kreativität die Chance, Komplexität sichtbar zu machen, egal ob mit digitalen oder analogen Werkzeugen. Ist es nicht wertvoll, anderen Menschen auf diese Weise einen Impuls, ein Nachdenken oder ein Gespräch mitzugeben?

Warum WhiteWall?

Da ich die meiste Zeit mit meinen Arbeiten beschäftigt bin, bin ich darüber dankbar eine qualitative Produktion für meine Bilder gefunden zu haben, die mir Druck, Rahmung und Lieferung abnimmt. Hinzu kommt, dass ich im Web-Konfigurator von WhiteWall einen optimalen Überblick bekomme, wie mein Werk nach der Fertigstellung aussieht. Das gibt mir Sicherheit und schenkt mir Zeit, die ich wiederum für meine Arbeiten verwenden kann.

PR-Foto WhiteWall, Helios INC., Köln
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